Fußballer- und Fußballerinnen-Fotos, Inkjetprints, 2016, je 110x143cm
Ausstellungsansicht Kunstraum Nestroyhof, Wien, 2018
Fotografie: Christoph Fuchs

Selbstbild und Fremdbild

Der Ute Bock Cup wurde gegründet, um ein Zeichen gegen Diskriminierung, Rassismus und Ausgrenzung zu setzen – auf dem Fußballplatz wie auch im alltäglichen Zusammenleben. Ute Bocks Flüchtlingsverein in Wien ist für viele Migrantinnen und Migranten die erste und nachhaltigste Adresse auf der Suche nach einem neuen Leben nach Vertreibung, Flucht und Verfolgung. Neben anderen Programmen ist gerade der Ute Bock Cup ein geeigneter Anlass, um einmal im Jahr Fußballteams, Interessierte, Unterstützer und Unterstützerinnen zum gemeinsamen Sport und zum Feiern zusammenzubringen. Rund um den achten Ute Bock Cup im Jahr 2016 fotografierte Robert Waldl fußballspielende Migrantinnen und Migranten der verschiedenen Teams und entwickelte mit ihnen eine Recherche zur Diskrepanz bzw. Korrelation von Selbstbild und Fremdbild.
Die Fußballerinnen und Fußballer werden am Rande der Matches gebeten, für Fotografien zu posieren. Die Porträts in Dressen, also in den Mannschaftsfarben, erinnern an die weitum berühmten Panini-Sammelbildchen und deren Funktion in kompletten Alben. Aber dem Fotografen geht es nicht um das Abbilden der Einzelspielerinnen und -spieler als Teil ihrer Teams, sondern um deren Reaktion auf ihr eigenes Bild. Nach Vorlage der Porträts konnten die Fußballerinnen und Fußballer ihr Votum zum eigenen Bild abgeben; Robert Waldl hatte ihnen das eigene Porträt in fünf Abstufungen des Bildschärfegrades vorgelegt: von präzise fokussiert und getreu abgebildet bis gänzlich verschwommen und gleichsam unkenntlich. Die jeweils abgebildete Person autorisierte den Fotografen, das von ihr gewählte Bild in dem angegebenen Schärfegrad für das künstlerische Projekt der Porträt-Präsentation verwenden zu dürfen.
In der Zusammenschau der nun als Großformate in Plakatdimension abgezogenen Foto-Bildnisse lässt sich ablesen, dass es einigen Sportlerinnen und Sportlern wichtig war, ihr Porträt nicht als Medium der Wiedererkennbarkeit zu sehen, während andere sich selbstbewusst als Gegenüber des Betrachters definieren. Das Selbstbild – der Blick auf sich selbst – erscheint manchen als zu decouvrierend, sodass eine Mutation in die Anonymität vorgezogen wird, um der Konstruktion eines Fremdbildes zu entgehen. Anderen dagegen kommt die Funktion des Ich-Transfers mittels großformatiger Bildpräsenz zupass, um so ein modellhaftes, ideales Bildkonstrukt des eigenen Selbst zu präsentieren. In der Divergenz der Bildfunktion liegt damit ein psychologisch relevanter Beweggrund, dem eigenen Bild eine visuelle Mitteilungsfunktion zu attestieren.

Margit Zuckriegl
(aus: Reading Identities / Identitäten lesen, Verlag Sonderzahl, Wien 2018)