What´s on my Head, Inkjetprint auf Siebdruckplatten, 2016, je 111x74cm
Installationsansicht Kunstraum Nestroyhof, Wien, 2018


Spielerische Reflexion

„What’s on my Head“ ist ein partizipatives Gesellschaftsspiel, das in ähnlicher Form wie das pantomimische Spiel „Charade“ davon ausgeht, dass Mitspieler und Protagonist einen Begriff erraten müssen. In diesem Fall ist es ein Bild, das dem agierenden Spieler oder der Spielerin auf den Kopf gesteckt wird und von dem er oder sie keine Kenntnis hat. Durch Befragen der Mitspielenden engt sich der Kreis des gesuchten Begriffs stetig ein, bis die Übereinstimmung von Bild und Bezeichnung gefunden ist.
Robert Waldl hat sich das Prinzip dieses Spiels von Bild-Erkennung und Identität der Begrifflichkeiten zunutze gemacht und für ein Ausstellungsprojekt in Budapest über Fragen von bildlicher Authentizität nachgedacht. Gerade in Ungarn war das Thema aktuell heftig diskutiert worden: 2005 hatte die EU die Verwendung von biometrischen Passbildern verfügt, ohne jedoch deren Speicherung vorzusehen. Die ungarische Orbán-Regierung hatte allerdings 2015 begonnen, sämtliche biometrischen Passbilder seiner Bürgerinnen und Bürger zu speichern und damit die bildliche Vermessung jedes Individuums staatlichen Interessen zugänglich zu machen. Diese jederzeitige Verfügbarkeit der persönlichen Daten und des eigenen Bildes gleicht einem Schreckensszenario von Überwachung und Kontrolle und weicht die individuellen Konturen auf: Nichts bleibt verborgen, im Porträtfoto ist alles und jedes gespeichert, auch wenn der oder die Betroffene davon keine Kenntnis hat.

Vor dem Hintergrund des Unbehagens über eine solche Staatsdatenbank hatte Waldl Kunststudentinnen und -studenten in Budapest gebeten, für ein Shooting in der Galerie gleichsam nach den Regeln des Ratespiels zur Verfügung zu stehen. Die daraus entstandene Fotoinstallation zeigt jeweils das Porträtfoto eines beteiligten Mitspielers, dem sein eigenes Passbild auf die Stirn geklebt wurde: Erzähle mir, wer du bist, auch wenn es für die anderen längst klar ist, um wen es sich handelt. Dies alles ist in einer Sphäre der bewusst inszenierten Unwissenheit angesiedelt – die Unschärfe der Porträts lässt im Spiel um Identität und Integrität vieles offen. Die Reflexion über die Situation des Individuums und seine Freiheit, seine Bewegungsmöglichkeit und seine innersten Geheimnisse, zeigt auf, wie limitiert der Raum zur eigenen Entfaltung ist, wie durchsichtig wir werden und wie kompromisslos der Mensch auf eine schiere Datenansammlung reduziert werden kann.

Margit Zuckriegl
(aus: Reading Identities / Identitäten lesen, Verlag Sonderzahl, Wien 2018)